Lampart’s Val Lumnezia – das ist Geschichte mit Geschichten. Im Guesthouse hat alles eine Geschichte und wir erzählen Geschichten. Darauf sind wir stolz und diese Geschichten bewahren wir achtsam. Die Casa Piz Mundaun wurde 1878 als Luft-Kurhotel von einem Lugnezer Ehepaar erbaut, das sich in Frankreich erfolgreich in der Gastronomie betätigt hatte. Sie blieb bis 2010 das Dorfgasthaus – die «Ustria» – von Morissen. Im April 2015 kauften die heutigen Eigentümer die in die Jahre gekommene Liegenschaft am Fusse des Piz Mundaun. Die Annäherung an Zeit, Raum und Transformation begann. Mehr lesen
«Wo die Talstrasse oberhalb der letzten Häuser von Cumbels einen neuen entschiedenen cumbel (Ellbogen) beschreibt, reckt sich bergseits ein schmaler Gratfirst scharf gekerbt ins Blau, nah und doch einsam hoch über den flachen Wellen des Hanggeländes wie eine Fata Morgana. Wir sind im Banne des Piz Mundaun, des berühmten Aussichtsberges, an dessen Südflanke der dicht gescharte Harst der Dächer von Morissen sich weit hinauf gewagt hat.»*
Die Transformation hängt eng am Lugnezer Ehepaar, das dieses spektakulär gelegenen Gebäude 1878 erbauen liess, um das feudale Wohngefühl des 19. Jahrhunderts nicht missen zu müssen, das sie in der Ferne in aufregenden Städten erfahren hatten. Schon damals faszinierte das Stadtleben – das aber stets von Sehnsucht nach der ruhigen und entspannten Contryside begleitet war. Wir wollen zurück zur aussergewöhnlichen Lage des Guesthouse, zurück zu diesen Personen und zurück zu dieser pulsierenden Geschichte einer grossen Familie.
«Das Aroma der harzduftenden jungen Arven und Lärchen ist ein bekanntes Heilmittel. In unmittelbarer Nähe des Waldes führt ein künstlicher Fussweg nach der Spitze des Piz Mundaun (1 Stunde). Wegen seiner vorgeschobenen Stellung bietet derselbe eine wunderbare Fern- und Rundsicht. Keiner kann das Bild, das sich hier oben dem Auge bietet, sehen, ohne dass es ihm sonntäglich im Herzen wird», schreibt Conrad Caduff-Camenisch in einer Werbebroschüre der Casa Piz Mundaun von 1910.
Es handelt sich bei diesem «Conrad» um den 1871 geborenen und 1949 verstorbenen Christian Conrad Giusep Caduff aus Morissen, der umgangssprachlich «Rest Cundrau» gerufen worden ist. Die deutschen Vornamen sind dem Umstand geschuldet, dass in dieser Zeit die Bündner Zivilstandsregister nur Deutsch als Amtssprache kannten. Er heiratete am 24. Oktober 1902 Maria Luisa Camenisch, die 1879 in Lyon geborene und 1964 verstorbene Tochter der Erbauer.
Das markante und komplett aus dem üblichen Lugnezer Dorfbild fallende Gebäude wurde 1878 gegen das Ende des 19. Jahrhunderts errichtet. Die aus Lyon zurückkehrenden Lugnezer Auswanderer Murezi Giusep Camenisch, 1841 geboren, und seine neun Jahre jüngere, «Elisabetta» genannte Ehefrau Maria Elisabeth Camenisch, ledige Caduff aus Cumbels, bauten es direkt auf ein Lugnezer Doppelwohnhaus. Im zweiten Obergeschoss befinden sich auf dem ersten neuen Balken ihre Initialen «ECC» – was erst beim kürzlichen Umbau entdeckt worden ist. Die Erbauer waren weitgereiste Personen, die von der Neuzeit und durch die schicken französischen Städte geprägt wurden.
«Die Erinnerung an den Kaiser der Franzosen lag nahe, denn Luisa Caduff-Camenisch [Anm: es handelt sich dabei um die vorerwähnte Maria Luisa] ist in Lyon geboren, wo ihr Vater Leiter des Cafés Matossi war. Dort hat sie zuerst französische Schulen besucht und Französisch gesprochen bis zu ihrem achten Jahr. Dann wurde der Vater krank, asthmatisch, vom Zigarettenrauch, und Luisa kam nach Morissen und lernte Romanisch. […]. Im Hinblick auf die Stellung der Hausmütter im Oberland tat sie einmal den vielsagenden Ausspruch: Die Frauen sollen nicht Sklavinnen sein!»*
In ihrer Kindheit ging Maria Luisa ein weiteres Mal nach Frankreich und später vor ihrer Heirat mit Rest Cundrau Caduff mit einem Freund ihres Vaters nach Belgien, ehe sie erneut zurückgekehrt und dauerhaft im Lugnez geblieben ist. Ihr Name ist auf der viertgrössten Kirchenglocke der Kirche in Morissen eingraviert.
Die Casa Piz Mundaun ist historisch aussergewöhnlich. Sie soll trotz der erfolgten Transformation aussergewöhnlich bleiben und muss sich gerade deshalb auch in Zukunft in Morissen nicht dem «Trupp seiner Bauernhäuser»* und dem alpinem Leben anbiedern, um ihren Ursprung und ihre städtische Grandezza zu verstecken. Trotzdem sollte sie trotz Transformation und den erfolgten Erweiterungen weiterhin in das durch sie markant gewordene Dorfbild, die Landschaft und die lokale Kultur integriert bleiben. Es ist nicht zufällig, wenn sich die wesentlichen Punkte der im Jahr 2020 abgeschlossenen baulichen Transformation aus den historischen Akten abgeleitet haben.
Form: «Über den flachen Wellen des Hanggeländes wie eine Fata Morgana.»
Material und Technik: «Das Aroma der harzduftenden jungen Arven und Lärchen.»
Zeit und Geschichte: «Die Erinnerung an den Kaiser der Franzosen lag nahe.»
Integration: «Luisa kam nach Morissen und lernte Romanisch.»
Fortschritt: «Die Frauen sollen nicht Sklavinnen sein!»
Die mit einem Stern (*) gekennzeichneten Zitate stammen von Arnold Büchli aus dem Jahr 1943, diese wiederum basieren auf persönlichen Überlieferungen von Maria Luisa Caduff-Camenisch (in: Mythologische Landeskunde von Graubünden, Ein Bergvolk erzählt, Band 2, 1966, zitiert nach der 3. Auflage, S. 429; Hervorhebungen in den Zitaten durch die Gastgeber).
Die weiteren Angaben zu Maria Elisabeth Camenisch-Caduff und Murezi Giusep Camenisch, den Erbauern der Casa Piz Mundaun, stammen aus persönlichen Überlieferungen der altehrwürdigen, aber im Zeitpunkt des Austausches im Spätsommer 2018 immer noch überaus wachen und rüstigen Herren Clemens Riedi (Morissen) und Rest Cundrau (Vella), zwei Enkeln von Maria Luisa Caduff-Camenisch. Besonders stolz sind wir auf den überaus warmen Dank dieser grossgewordenen Familie, deren Geschichte wir fortführen und damit deren Ursprung auch zu unserer Zukunft gemacht haben.